Grenzwerte

siebzehnter januar // zu wenig pulver im stift, jubiläen in die luft zu jagen / flaschen auf die brust gesetzt und abgedrückt / dieses loch, in das zu viel hineinläuft und zu wenig hinaus / mein junger vater, der neben mir ans fenster tritt / czollek schenkt den deutschen ein gedicht / das linke auge zum sehen, das rechte auge zum bleiben / trauer heißt so viel wie: nieder mit allen / ein gefühl wie eure großstädte nach dem luftangriff / streusalz als klebestreifen, mich festzuhalten / zieht mir die kabel aus dem herzen, seid doch schon aufgeladen

GedichteMax Czollek
IllustrationenMario Hamborg

Max Czolleks neuer Gedichtband Grenzwerte ist eine Grand Tour durch Orte, Diskurse – und durch die Geschichte. Denn Dichtung ist bei Czollek immer auch ein Sprechen der Vergangenheit: Eine Form von Gegenwartsbewältigung. Der Ungleichzeitigkeit der Zeit – dieser kette aus kalenderblättern / dem gefühl, als wäre beim reißverschluss der schieber kaputt – begegnet Czollek mit den Mitteln der Dichtung, mit Metapher und Collage. Dabei ist er kein passiver Chronist, seine Verse sind jederzeit bereit, zurückzuschlagen, sich Sprachordnungen anzueignen und neu zu formatieren. Und so ist Grenzwerte nicht nur ein Logbuch der Gegenwart, sondern auch eines des Dichters selbst: ich komme mir vor, als säße ich in einem meiner gedichte / und vielleicht tue ich das auch.